Der bayerische Rebell
D 2003
FSK: ab 12 Jahren
Länge: ca. 92 Min.
Studio: Stiglmayr Filmproduktion
Vertrieb: Neue Visionen
Filmzine-Review vom 09.09.2004
Das Ritual, bei Konzerten Utensilien wie Stofftiere, Unterbekleidung oder sonstige Zuneigungsbekundungen unter frenetischem Gebrüll auf die Bühne zu befördern, dürfte hinlänglich bekannt sein. Die Variante, bei der statt dessen mehr oder minder wohlgeformte Joints ihren Weg ins Publikum (oder auch mal von dort in Richtung Künstler) finden, wird bis dato eher Fans von Independent-Größen wie Götz Widmann (Ex-Joint Venture) vorbehalten gewesen sein.
Aber auch das bayrische Liedermacher-Urgestein Hans Söllner eckt in seinem laut- und symbolstarken Kampf gegen die Kriminalisierung von weichen Drogen wie Cannabis, Marihuana und sonstigen THC-Spielarten seit nun mehr als 20 Jahren regelmäßig an und provoziert (frei)staatliche Institutionen dabei ebenfalls gerne mal mit einer Hand voll vorgedrehter Tüten, die sich über sein rauschwilliges Konzertpublikum ergießen.
Ein unrühmliches Verhalten, das in seiner Geburtsheimat Bayern nicht ungesühnt bleiben sollte – so säumen bundesweite Radio- und Fernsehboykotts, Auftrittsverbote, Hausdurchsuchungen und regelmäßige Gerichtsvorladungen den musikalischen und menschlichen Lebensweg des blau-weißen Rastas und erklärten Beckstein-Feindes. Koordiniertes politisch-mediales Totschweigen und Gegenfeuer also, das erschreckend an fast schon vergessene Ressentiments gegenüber Bands wie Ton Steine Scherben und deren Frontmann Rio Reiser erinnert.
Grund genug für den Filmemacher Andi Stiglmayr, praktisch im Alleingang (Regie, Produktion, Drehbuch, Kamera, Schnitt und Ton), einen Dokumentarfilm über das Phänomen Hans Söllner Der bayrische Rebell zu drehen. Dafür begleitete Stiglmayr den Reggae-Musiker und Berufs-„Querulanten“ (so zumindest die reichlich populistische Einblendung während eines Talkauftritts bei Boulevard-Bio) fast zwei Jahre und fing dabei einige anregende Gespräche, Auftritte und Bilder ein, umhüllt von philosophisch-friedlichen bis aufbrausenden Rauchschwaden.
Auch wenn dem Streifen aufgrund naturbelassener bayrischer Mundart hier und da ein „deutscher“ Untertitel gut getan hätte, darf die Dokumentation als durchweg sehenswert eingestuft werden und wird ‚Staatstreue‘ wie ‚Rebellen‘ gleichermaßen zu Diskussionen anregen. Was im Kino nicht möglich war, die Beigabe eines kurzen Konzertmitschnitts, hätte sich als Bonusmaterial auf der DVD bestens gemacht. So aber kommt der Kern der Aufregung, Söllners Musik, trotz zahlreicher angespielter Stücke innerhalb des Films leider ein bisschen zu kurz.
Mikes Filmwertung
Ein Rasta in Bayern: Cannabis, Staatswahn, Justizwillkür und freie Gedanken.
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