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Der Wolfsjunge

© Studio Hamburg Enterprises

Der Wolfsjunge (Pidax Film-Klassiker)

L’enfant sauvage

F 1970

FSK: ab 12 Jahren

Länge: ca. 81 Min.

Vertrieb: Studio Hamburg Enterprises

Filmzine-Review vom 19.10.2021

1798 wird in Südfrankreich ein etwa 12 Jahre alter, völlig verwahrloster Junge in einem Wald entdeckt. Er ist nahezu taubstumm und bewegt sich in gebückter Haltung, aber geschickt und wendig wie ein Tier durchs Unterholz. Als der Arzt Dr. Jean Itard (François Truffaut) davon erfährt, lässt er den „Wolfsjungen“ nach Paris bringen, damit er sein Verhalten näher erforschen kann. Schon bald erkennt er jedoch, dass die Hauptstadt nicht das richtige Umfeld für den Jungen ist, den er Victor tauft. Er nimmt ihn mit auf seinen Landsitz und versucht, ihm ein zivilisiertes Leben nach gesellschaftlichen Normen näherzubringen…

In Der Wolfsjunge erzählt Regisseur François Truffaut, der zudem das Drehbuch schrieb und selbst die Hauptrolle des Dr. Itard spielt, einen wahren historischen Fall nach, den er anhand der Aufzeichnungen des Arztes rekonstruiert. Die aus dem Off vorgelesenen tagebuchartigen Einträge gliedern den minimalistisch gestalteten Film und dokumentieren den Fortschritt der Arbeit des Mediziners. Itard setzt auf Disziplin, harte Arbeit und strenge Strafen, um dem wilden Jungen aufrechtes Gehen, manierliches Essen und zwischenmenschliche Interaktion beizubringen. Nicht selten überfordert er das Kind damit, das sich jeden Tag entgegen seinem Wesen stundenlang konzentrieren und Aufgaben lösen muss, die Itard für sinnvoll hält. Truffaut wählt dafür einen minimalistischen, überaus schlichten Stil und verzichtet auf Effekthascherei, so dass Der Wolfsjunge fast schon dokumentarische Züge annimmt. Zwar lässt sich der Arzt durch die zahlreichen Rückschläge, die er mit dem bisweilen unbezähmbar agierenden Jungen hinnehmen muss, nicht von seinem Konzept abbringen, doch dem Zuschauer stellt sich zunehmend die Frage nach dem Sinn der erzwungenen Sozialisierung. Wäre der Junge, der sich immer noch so sehr nach der Natur sehnt, nicht im Wald besser aufgehoben gewesen? Ist nicht auch die Vermittlung von Liebe, Wärme und Geborgenheit wichtiger Bestandteil einer solch groß angelegten Umerziehungsmaßnahme? Fragen dieser Art waren in der damaligen Zeit wohl weniger naheliegend und Truffaut erhebt selbst nicht den Anspruch, Antworten parat zu haben. Und so endet dann auch Victors Geschichte etwas abrupt und unkonventionell und überlässt das Urteilen dem Publikum.

 

DVD Extras:

  • Booklet
  • Original Kinotrailer
  • Trailer zu 2 weiteren Titeln
  • Wendecover

 

Ninas Filmwertung

Ein Schlüsselwerk Truffauts: minimalistisch erzählte Schwarzweiß-Studie über den wahren Fall des Wolfskindes Victor von Aveyron.

Nina

Nina

Synchronisationsverweigerin. Steht auf Klassiker und hat eine Schwäche für Hitchcock, James Stewart und Cary Grant. Bevorzugt Independent-Kino und visuell aus dem Rahmen fallende Filme à la Tim Burton oder Wes Anderson.

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