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Small Axe

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Small Axe (2 DVDs)

Mangrove/ Lovers Rock/Red, White and Blue/Alex Wheatle/Education

Großbritannien 2020

FSK: ab 16 Jahren

Länge: ca. 407 Min.

Vertrieb: Polyband

Filmzine-Review vom 22.07.2022

Es ist eigentlich nicht selbstverständlich, dass oscarpreisgekrönte Regisseure wie der Brite Steve McQueen (12 Years a Slave) sich mit Fernsehprojekten beschäftigten. Doch ähnlich wie sein Regie-Kollege Barry Jenkins, der den Sklaven-Roman The Underground Railroad als Serie verfilmte, thematisiert McQueen in der Anthologie-Serie Small Axe in vier wahren und einer erfundene Geschichte den ganz alltäglichen Rassismus in seiner britischen Heimat. Die fünf Filme, die im Umfeld der afrokaribischen Community zwischen 1968 und 1982 angesiedelt sind, gelten jetzt schon als Meilensteine des britischen Fernsehens. Umso schöner, dass Polyband dieses Meisterwerk nun auch hierzulande veröffentlicht, wenngleich nur im angestaubten DVD-Format.

Mangrove (5/5 Sterne)
Den besten Beitrag bietet zum Auftakt ein packendes Gerichtsdrama: Erzählt wird Geschichte des bahnbrechenden Prozesses der „Mangrove Nine“, die im Jahr 1968 beginnt. Frank Crichlow (Shaun Parkes) eröffnet in Notting Hill ein karibisches Restaurant („The Mangrove“). Crichlows Lokal wird bald zu einem Zentrum für die Einwanderer, die sich im Westen Londons angesiedelt haben, unter ihnen auch der junge Darcus Howe (Malachi Kirby) und die britische Black-Panther-Anführerin Altheia Jones-LeCointe (Letitia Wright). Die lokale Polizei ist wenig begeistert und macht das Lokal zur Zielscheibe polizeilicher Schikanen. Als Reaktion darauf marschieren am 9. August 1970 150 Menschen zur örtlichen Polizeistation, was zu Verhaftungen wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ und zum anschließenden historischen Prozess gegen insgesamt neun Personen führt. Inhaltlich erinnert der Film an The Trial of the Chicago 7 von Aaron Sorkin, der mit viel Tamtam bei Netflix lief, doch das bessere, leidenschaftlichere Werk ist ohne Zweifel Mangrove.

Lovers Rock (4.5/5 Sterne)
Im Westen Londons feiern junge Leute mit afrokaribischen Wurzeln ausgelassen auf einer Hausparty. An der Haustür wird ein wenig Eintritt für Essen und Getränke bezahlt und dann geht auch schon die Post ab: Stundenlang wird in einem der überfüllten Zimmer zu Rock, Soul und Reggae der Soundsystem-DJs getanzt. Zwischendurch wird geflirtet, gezankt und am Rande kommt es auch zu einer Auseinandersetzung mit rassistischen Nachbarjungs, doch mehr passiert nicht. Im Vergleich zum Drama des ersten Teils mag das ein wenig trivial erscheinen, aber McQueen inszeniert die durchgehende Hausparty mit faszinierender Atmosphäre und ansteckenden Tanzszenen, besonders beim Klassiker „Kung Fu Fighting“ bei dem sämtliche Tänzer ihre Kampfsport-Posen vollführen.

Red, White and Blue (5/5 Sterne)
Red, White and Blue ist die wahre Geschichte von Leroy Logan (John Boyega), einem schwarzen Briten, der in den 1980er Jahren eine Karriere in der Forschung aufgab, um Polizist zu werden, obwohl sein Vater einst von Rassisten in Uniform brutal verprügelt wurde. Boyega – einer der Helden aus den neuen Star Wars-Filmen – ist als idealistischer und selbstbewusster Polizist eindeutig der Fixpunkt des Dramas. Sogar in der extrem spannenden Sequenz, in der Logan ganz ohne die Hilfe seiner voreingenommenen (weißen) Kollegen, die auf seinen Hilferuf nicht reagieren, einen Verbrecher durch eine Fabrik jagt, verliert die Figur nie ihren Stolz. Packend!

Alex Wheatle (4/5 Sterne)
In dem Biopic Alex Wheattle arbeitet McQueen die Lebensgeschichte des gleichnamigen britischen Schriftstellers auf, der nach den Brixton-Krawallen 1981 in London zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Der Film spannt einen großen Bogen von Wheattles (Sheyi Cole) Kindheit in den 1960er Jahren auf dem Land bis in die 80er Jahre in Brixton, in der Wheattle als junger Mann seine Leidenschaft für die Musik und für das Schreiben entdeckt. Beide Zeitebenen sind geprägt von zutiefst frustrierenden Begegnungen, wie etwa den Behördengängen, bei denen Wheattle seitens der Mitarbeiter blanker Hass entgegenschlägt. Abermals eine starke Charakterstudie, wenngleich aufgrund der recht kurzen Lauflänge von einer Stunde nicht ganz so mitreißend wie etwa Red, White and Blue.

Education (4.5/5 Sterne)
Kingsley Smith (Kenyah Sandy) geht auf eine Londoner Schule, deren Lehrer mehr unterdrücken als unterrichten. Außerdem bekommt Kingsley mehr Ärger als seine weißen Mitschüler, wenn er den Unterricht stört. Da er auch im Lesen zurückliegt und seine IQ-Werte niedrig sind, möchte der Schulleiter ihn auf die Durant-Schule, eine Sonderschule, schicken. Kingsleys Mutter Agnes (Sharlene Whyte) hat zunächst keine Widersprüche. Erst als der Junge auf der neuen Schule gelandet ist und eine Psychologin sie auf die dortigen Missstände hinweist, wird sie aktiv. Education, der letzte Small Axe-Beitrag, basiert auf den autobiografischen Erfahrungen, die Regisseur Steve McQueen in seiner Schulzeit machte. Eine eindrucksvolle Abrechnung mit dem Londoner Bildungssystem der späten 60er Jahre, das in vielerlei Hinsicht die jungen schwarzen Kinder der britischen Einwanderer benachteiligte.

 

DVD Extras:

  • Mangrove (128 min)

    • Featurette (4 min)

    Lovers Rock (70 min)

    • Featurette (4 min)

    Red, White and Blue (81 min)

    • Featurette (4 min)

    Alex Wheatle (66 min)

    • keine Extras

    Education (63 min)

    • keine Extras

 

Marcs Filmwertung

Packende BBC-Produktion von Oscar-Regisseur Steve McQueen, die in fünf geschichtsträchtigen Teilen mit dem Rassimus „Made in England“ zwischen den 60er und 80er Jahren abrechnet.

Marc

Marc

Cineast bis in die Haarspitzen. Anything goes außer Schweiger & Schweighöfer und Bollywood. Regie-Lieblinge: Fincher, Mann, Scorsese, Coppola, Lynch, die Coens, Tarantino, Cameron, De Palma, P.T. & Wes Anderson, Spielberg.
Beste Serie aller Zeiten: The Wire

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