© Bildmaterial EuroVideo Medien

Rimini

© EuroVideo Medien

Rimini

Österreich 2022

FSK: ab 12 Jahren

Länge: ca. 111 Min.

Vertrieb: EuroVideo Medien

VÖ-Datum: bereits erhältlich

Filmzine-Review vom 12.05.2023

Der abgehalfterte österreichische Schlagerstar Richie Bravo (Michael Thomas) tingelt in der Nebensaison durch die gähnend leeren Clubs und Hotels des bei Deutschen und Österreichern – und besonders bei seinen Fans – so beliebten italienischen Badeortes Rimini. Der kleine Stern seiner bescheidenen Karriere ist längst untergegangen, er braucht händeringend Geld und ist glücklicherweise erfinderisch: Per Airbnb vermietet er seine „Villa Bravo“, eine geschmacklos eingerichtete Bude voller Richie-Devotionalien, lässt sich für Liebesdienste von überwiegend älteren, ähnlich verzweifelt wirkenden Frauen bezahlen und gibt Abend für Abend in Lokalitäten mit so illustren Namen wie „Dancing 007“ vor rund einem Dutzend Zuschauer seine größten Hits zum Besten. Eines Abends steht nach einem Auftritt plötzlich seine uneheliche Tochter Tessa vor ihm. Sie verlangt die ihr zustehenden Unterhaltszahlungen, und zwar auf einen Schlag und am besten sofort. Der Überlebenskünstler muss also tief in die Trickkiste greifen und hofft insgeheim, sich vielleicht doch noch mit der entfremdeten Tochter aussöhnen zu können…

Der österreichische Regisseur Ulrich Seidl ist so etwas wie der Meister der Trostlosigkeit. In Rimini ergänzt er die tragisch-groteske Atmosphäre eines Urlaubsorts im Winter durch die verlorene Figur des Richie Bravo. Dabei ist Seidl niemals daran interessiert, seine Akteure der Lächerlichkeit preiszugeben. Es sind zutiefst menschliche Charaktere auf der Suche nach Nähe, Liebe, Bestätigung, Achtung, Anerkennung – und doch bleibt ihnen all dies zumeist verwehrt. Das abgegriffene Rimini fängt Seidl in statischen, streng geometrisch komponierten Totalen ein. Lange Gänge, Wege, Flure, Häuserfluchten sind die Szenerien, durch die er seinen Protagonisten stapfen lässt. Und weil das allein nicht trostlos genug ist, liegt meist noch irgendwo ein afrikanischer Flüchtling im Schlafsack rum. Wer die Schönheit der Hässlichkeit liebt (siehe auch Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach des schwedischen Regisseurs Roy Andersson), ist hier goldrichtig. Der Wiener Michael Thomas, der bisher völlig zu Unrecht noch keine große Kinopräsenz zeigte, spielt den Schmalzsänger, der in seiner eigenen Vergangenheit gefangen scheint, mit unglaublich viel Hingabe. In seinem Versuch, an alte Erfolge anzuknüpfen und eine wie auch immer geartete Beziehung zu seiner Tochter aufzubauen, erinnert er an Mickey Rourkes Wrestler (Fun Fact: Michael Thomas ist Ex-Boxer): genauso tragisch und ebenso liebenswert.

Als einziges Extra ist ein Interview mit Regisseur Ulrich Seidl an Bord, in dem er mehr über seine eigenwillige Arbeitsweise erzählt und auch verrät, dass das Filmprojekt auf zwei Teile ausgelegt ist. Denn Richie hat noch einen jüngeren Bruder, Ewald (Georg Friedrich, Wilde Maus), der in Rimini nur einen kurzen Nebenauftritt hat. Seine Geschichte wird im zweiten Part erzählt – man darf so gespannt sein wie das goldene Polyesterhemd über Richies Bauch!

 

DVD Extras:

    • Interview mit Ulrich Seidl (10 min)
    • Trailer zu 6 weiteren Titeln

 

Ninas Filmwertung

Alles so schön trostlos hier: Ulrich Seidls Porträt eines alternden Schlagersternchens auf dem Abstellgleis ist bei aller Abgründigkeit doch voller Wärme und Menschlichkeit.

Nina

Nina

Synchronisationsverweigerin. Steht auf Klassiker und hat eine Schwäche für Hitchcock, James Stewart und Cary Grant. Bevorzugt Independent-Kino und visuell aus dem Rahmen fallende Filme à la Tim Burton oder Wes Anderson.

Alle Reviews anschauen

Leserwertung

Eure Leserwertung:

Trailer

Dieses Video ansehen auf YouTube.
Klick auf das Video-Vorschaubild stellt eine Verbindung zu YouTube her und setzt YouTube-Cookies auf Deinem Rechner. (Weitere Datenschutzinfos.)

Cast & Crew

Share This Post On

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert