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Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück
Captain Fantastic
USA 2016
FSK: ab 12 Jahren
Länge: ca. 119 Min.
Studio: Electric City Entertainment
Vertrieb: Universum Film
Filmzine-Review vom 16.01.2017
Ben (Viggo Mortensen) lebt mit seinen 6 Kindern ein abgeschiedenes Aussteiger-Leben in den Wäldern Nordostamerikas ohne Kontakt zur Außenwelt. Zum Alltag gehören Survival-Training, Lektüre der Weltliteratur, Sprachunterricht sowie gemeinsames Musizieren. Als die Mutter der Kinder, die sich wegen bipolarer Störungen in Behandlung begeben hat, sich das Leben nimmt, bricht die Familie zur Beisetzung auf in die Zivilisation. Es kommt unweigerlich zum Clash der Kulturen, bei dem alle gezwungen sind, ihre Ideale einem Realitätscheck zu unterziehen…
Wer mitgelesen hat, weiß spätestens jetzt: Captain Fantastic ist kein neuer Superheld. Für alle anderen hat der deutsche Verleih sicherheitshalber noch den Untertitel Einmal Wildnis und zurück kreiert (streng genommen müsste es allerdings „Einmal Zivilisation und zurück“ heißen, aber egal).
Beim Thema Kindererziehung hat ja jedes Elternpaar grundsätzlich die Weisheit für sich gepachtet, Zweitmeinungen sind generell unerwünscht. Bei Ben ist das nicht anders, auch er hält sein Althippie-Konzept für das einzig Wahre, schließlich bewahrt er den Nachwuchs vor der kapitalistisch-faschistischen Außenwelt. Seine Weltauffassung plappern die Kinder ihm mangels kritischer Einflüsse von außen wortwörtlich nach und mögen dabei zwar clever klingen, aber kennen in Wirklichkeit einfach keine andere Meinung – und Zweifel lässt Ben grundsätzlich nicht gelten. Genau das ist der Knackpunkt des Films, denn gerade den älteren Sprösslingen wird bei ihrem Roadtrip immer wieder bewusst, dass sie mit ihrer Lebens- und Denkweise in der „realen“ Welt überall anecken und sich selbst zu Außenseitern machen. Ben wird zunehmend gezwungen, seinen Standpunkt zu überdenken und sich zum Wohl der Kinder kompromissbereit zu zeigen.
Captain Fantastic ist oft plakativ und wenig subtil in der Wahl seiner Mittel, vor allem dann, wenn die Familie auf Bens Schwester mit ihren beiden Söhnen trifft. Während Ben seinen Kindern grundsätzlich schonungslos die Wahrheit sagt, ungeachtet dessen, ob sie die mentale Reife für Informationen gewisser Art haben, möchte seine Schwester ihre Söhnen vor einer Suiziddiskussion schützen – im nächsten Moment mähen diese dann bei einem Videospiel Dutzende von Gegnern über den Haufen. Ihr Argument, Bens Kinder müssten zur Schule gehen, um fürs Leben zu lernen, widerlegt er auf der Stelle, indem er die deutlich älteren Cousins zur Bill of Rights befragt (Antwort: „irgendwas mit Verfassung?“) um daraufhin seine 8-jährige Tochter die Bill of Rights zitieren zu lassen. Doch welche Aussagekraft hat ein auswendig aufgesagter Text? In dieser Ambivalenz liegt auch das Problem des Films. Drehbuchschreiber und Regisseur Matt Ross will eine Lanze für den autarken Lebensentwurf der Familie brechen, gleichzeitig skizziert er Ben dermaßen unsympathisch, unhöflich, empathie- und respektlos, dass man fast keine seiner Entscheidungen gutheißen kann. So entsteht der Eindruck, Ross wolle letztendlich doch die Gesellschaft promoten, gegen die der Film auf den ersten Blick zu rebellieren scheint.
Ninas Filmwertung
Skurriler Roadtrip einer besonderen Familie, der zum Nach- und Mitdenken anregt.
- The Last Showgirl - 10. Juni 2025
- Kneecap - 2. Juni 2025
- Creep - 27. Mai 2025
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Leserwertung
Trailer
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Cast & Crew
Schauspieler: Ann Dowd, Erin Moriarty, Frank Langella, George MacKay, Kathryn Hahn, Missi Pyle, Shree Crooks, Steve Zahn, Viggo Mortensen